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Best Practice: Mit Anpassungsqualifizierung nachhaltig in Arbeit integrieren
Zwischen den verschiedenen Bildungssystemen weltweit bestehen Unterschiede. In dualen Berufen werden diese Unterschiede mit sogenannten Anpassungsqualifizierungen ausgeglichen. Anschließend gelten die Berufsqualifikationen der Fachkräfte in Deutschland als voll anerkannt.
Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt das Beispiel aus Berlin. Patrick Heber, Projektleiter der Sanitär Heizung Klima Innung Berlin (SHK), berichtet gemeinsam mit Huzayfa Dabbas, heute als Controller ebenfalls bei der SHK-Innung Berlin tätig, in einem Interview mit MAIA-Projektleiterin Anna Nowodworska von den eigenen Erfahrungen auf diesem Weg. Huzayfa Dabbas war 2022 ein Teilnehmer im MAIA Berlin-Vorgängerprojekt MAZAB. MAIA steht für „Mit Anpassungsqualifizierung in Arbeit“.
Patrick Heber: Ich bin seit 15 Jahren im Bildungssektor unterwegs in Sachen Nachqualifizierung, Anpassungsqualifizierung und Anerkennungsverfahren. Seit 2021 bin ich in der Innung SHK und wie es der Zufall wollte, kamen wir auf ein Anerkennungsverfahren mit Herrn Dabbas im Bereich Büromanagement, was eigentlich gar nicht in unser Handwerk passt, aber wir brauchten ihn ganz dringend im Controlling und es war ein Glücksgriff, dass das so gut funktioniert hat.
Huzayfa Dabbas: Ich arbeite seit Januar 2022 bei der SHK-Innung. Ich wurde zunächst als Praktikant aufgenommen, um eine Anpassungsqualifizierung zu absolvieren und meinen Beruf voll anerkennen zu lassen. Nach meinem dritten Monat als Praktikant bin ich hier angestellt worden:
Anna Nowodworska: Herr Dabbas, was haben Sie für eine Ausbildung gemacht?
Huzayfa Dabbas: Ich habe keine Ausbildung gemacht, sondern habe an der Universität Damaskus in Syrien drei Jahre BWL studiert. Aber wegen des Krieges konnte ich mein Studium leider nicht beenden. Im Jahr 2016 bin ich nach Deutschland gekommen, hatte erstmal angefangen Deutsch zu lernen und mich erkundigt, was ich mit meinen Papieren hier in Deutschland machen könnte. Dann hat mir das Jobcenter das Projekt empfohlen, glaube ich. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wie es zu Stande kam. Und dann habe ich über Anna Nowodworska Herrn Heber kennengelernt und bin schließlich bei der SHK gelandet.
Anna Nowodworska: Okay, vielen Dank, Herr Dabbas! Genau, Sie waren bei uns im Projekt. Herr Heber, können Sie sich noch erinnern, wie es war? Wie Sie zusammengefunden haben?
Patrick Heber: Na ja, MAIA Berlin hat mich angerufen und gefragt, ob wir einen Praktikumsplatz hätten. Dann haben wir das gemacht. Es war etwas holprig am Anfang logischerweise, denn wir sind eine Innung und da arbeiten alle etwas anders. Aber Herr Dabbas hat sich so schnell reingefunden, so dass er ruckzuck beliebt war. Und dann haben sie ihn mir händereißend weggenommen und haben ihn gleich ins Controlling gesetzt. Außerdem hat er angefangen, die Kollegin im Prüfungswesen zu unterstützen: Das ist eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit! Dort hängen die ganzen Berufsabschlüsse dran und was die Auszubildenden in der Prüfung machen. Das darf man nicht vergessen!
Anna Nowodworska: Also, eine super steile Karriere kann man sagen, ja?
Patrick Heber und Huzayfa Dabbas: Ja, genau! Das kann man so sagen.
Anna Nowodworska: Herr Dabbas, wie hat Ihnen die SHK-Innung konkret geholfen, die volle Gleichwertigkeit Ihres Berufes zu erreichen?
Huzayfa Dabbas: Wichtig war, dass ich hier bei der SHK-Innung ein Praktikum machen durfte, da ich in meinem Heimatland keine Praxiserfahrung hatte. Um die volle Anerkennung zu bekommen, müsste ich laut Bescheid der IHK FOSA ca. ein Jahr Berufserfahrung in Vollzeit in meinem Referenzberuf nachweisen. Es war nicht einfach, ein Unternehmen für die Anpassungsqualifizierung zu finden. Bevor ich hier bei SHK gelandet bin, habe ich es bei einer anderen Firma versucht, wurde aber nach dem dritten Monat nicht angestellt und konnte so nicht die komplette Berufserfahrung sammeln. Dieses Unternehmen wollte damals, dass ich ein Jahr umsonst arbeite. Das war für mich keine Alternative. Insofern haben mir die SHK-Innung und Patrick Heber sehr viel dabei geholfen, meine Berufsanerkennung zu bekommen!
Anna Nowodworska: Herr Heber, welche Voraussetzungen sollte ein Betrieb mitbringen, der Anpassungsqualifizierungen anbieten möchte?
Patrick Heber: Na ja, er sollte zumindest einmal in der Lage sein, zu wissen, was in einem Ausbildungsrahmenplan und in einem Rahmenlehrplan steht. Idealerweise hat er auch einen Ausbildungsverantwortlichen, der sich darum kümmert. Der Betrieb sollte sich die Zeit nehmen, einen vernünftigen Plan zu erstellen, damit alle Punkte, die im Bescheid stehen, abgearbeitet werden können. Das sind die wichtigsten Dinge.
Und dann wäre es natürlich schön, wenn der Betrieb sich auch ein bisschen mit anderen Kulturen befasst, ein wenig auf die Sprache eingeht und auf die Hemmnisse, die die Leute haben, gerade in der Sprache. Das muss man ein bisschen unterstützen.
Anna Nowodworska: Dankeschön! Herr Heber! Herr Dabbas was hat sich für Sie mit der vollen Gleichwertigkeit geändert?
Huzayfa Dabbas: Ohne die volle Anerkennung wäre es schwierig, so eine Vollzeitstelle, so einen guten Job zu bekommen und die Tätigkeiten auszuüben, die ich hier bei der SHK-Innung ausüben darf. Ohne volle Anerkennung wäre es vielleicht nicht möglich. So kann ich es zusammenfassen.
Patrick Heber: Ja, das stimmt. Diesen Job hätte Herr Dabbas ohne die volle Anerkennung nicht bekommen.
Anna Nowodworska: Herr Heber, welchen Rat würden Sie Arbeitgebern geben, die Fachkräfte in einem Betrieb integrieren möchten?
Patrick Heber: Arbeitgeber sollten sich alle ganz genau überlegen, dass die Menschen, egal aus welchem Land sie kommen, da auch was gemacht haben und nicht von gar nichts eine Ahnung haben. Wir sollten das wirklich anerkennen und wahrnehmen und darauf aufbauen und das auch nutzen! Es kommt keiner hierher ohne etwas gemacht zu haben. Die ausländischen Fachkräfte werden leider unterschätzt.
Anna Nowodworska: Ja, genau! Eine teilweise Anerkennung heißt ja nur, dass die Bildungssysteme unterschiedlich sind und nicht, dass keine Ausbildung vorliegt, sondern wie im Fall von Herrn Dabbas, vielleicht sogar ein Studium. Alle Fachkräfte verfügen über Qualifikationen und oft auch Arbeitserfahrung.
Patrick Heber: Richtig, ganz genau! Nicht immer ist es die duale Ausbildung, die durchgeführt wird, sondern meistens eine schulische Ausbildung oder nur Praxis. Das kann man verwenden und dann kann man etwas Sinnvolles daraus machen.
Anna Nowodworska: Herr Dabbas, welchen Tipp würden Sie Fachkräften geben, die sich auf den gleichen Weg begeben wollen wie Sie?
Huzayfa Dabbas: Erst einmal Deutsch lernen! Das fällt mir bis heute nicht leicht, muss ich ehrlich sagen. Auch wenn ich insgesamt ein gutes Sprachniveau habe, muss ich mich immer noch mit der Sprache beschäftigen. Ich würde auch empfehlen, die englische Sprache zu lernen.
Anna Nowodworska: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?
Huzayfa Dabbas: Ich möchte mich auf jeden Fall in verschiedenen Bereichen weiterbilden, vor allem im Controlling. Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit meiner Arbeit hier und würde gerne weiter hier arbeiten.
Patrick Heber: Ich persönlich gehe bald in Rente. Ich glaube, jeder, der mit dieser Tätigkeit zu tun hat: mit Antragstellung, Abrechnung, weiß, dass die Arbeit in diesem Bereich sehr aufwändig ist und dass man viel lesen muss und viel von Zahlen verstehen muss. Das macht Herr Dabbas super. Er ist noch in der Einarbeitung, aber irgendwann soll er in diese Position rutschen und dort weitermachen. Das ist einer der wichtigsten Posten, die wir haben, weil es da richtig ums Geld geht. Und deshalb: Einarbeiten, weiter aufs Ziel zu und hier bleiben. Die Kette haben wir schon geschmiedet. ;)
Das Interview wurde am 12.12.2023 während der Online-Veranstaltung Fachkräftesicherung für Berliner Unternehmen – Duale Berufe: Mit Anpassungsqualifizierung in Arbeit aufgezeichnet und im Anschluss transkribiert.